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Drei Fragen für Non Profits im digitalen Kommunikationsdschungel

vonMax Beckmannam18.05.2017
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Foto: Jörg Farys/Die Projektoren

Dieser Artikel ist unser Beitrag zur 30. NPO-Blogparade über „Fluch und Segen des Social Web für Nonprofits.

Ach, was war das alles aufregend damals! Innerhalb weniger Jahre veränderten erst MySpace und StudiVZ, dann Facebook und Twitter die Kommunikation im Netz. Nach anfänglichem Zögern schlossen sich auch immer mehr Non Profits der digitalen Revolution an. Heute befinden sich die Organisationen in dem Dilemma, einerseits für die ökosoziale Sache zu werben und zu mobilisieren, sich aber online in einem hoch kommerzialisierten Umfeld zu bewegen und nach den dortigen Regeln spielen zu müssen.

Die Relevanz beider Seiten erleben wir immer wieder bei der von uns mitorganisierten Fachkonferenz reCampaign. Während es am ersten Tag in der Regel um Themen der grundlegenden Strategie geht (etwa um die spannende Frage nach politischem Framing), erfahren am zweiten Tag viele Sessions rund um das Thema Online-Marketing stets enormen Zulauf.

Im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Entwicklung immer neuer Plattformen, Tools und Marketing-Möglichkeiten lohnt es sich, den Blick vor allem auf drei grundlegend strategische Fragen zu werfen, die sich Non Profits stellen sollten:

1. Warum sind wir online?

Ja, warum eigentlich? Ist es immer noch die Hoffnung auf Reichweitensteigerung, wie sie in den aufregenden Anfangszeiten häufig Antrieb war? Dann lohnt ein Blick auf die Orte, an denen die Kommunikation stattfindet. Facebook und Twitter stellen ihre Plattformen nicht aus Nächstenliebe zur Verfügung. Sie machen Profit – vor allem durch Werbung. Werbeplätze werden auch offline nicht verschenkt. Deswegen haben Non Profits on – genauso wie auch offline – keine große Chance, solange die kommerziellen Konkurrenten um Aufmerksamkeit mit ungleich höheren Werbebudgets jonglieren.

Die Antwort auf die Frage, warum eine NGO soziale Medien nutzt, sollte daher auch weniger „Reichweite“ sondern viel mehr „Dialog“ lauten. Die Möglichkeit zu interagieren ist am Ende nicht nur das, was soziale Medien definiert, sondern auch der wesentliche Mehrwert, der von ihnen ausgeht. Anstatt Geld in die Werbeschlacht zu stecken, lohnt es sich also, in die kontinuierliche und ernsthafte Bedienung der Kanäle zu investieren. Häufig genug übernehmen die Social Media-Redaktion immer noch (sicherlich oft versierte, aber eben nicht dauerhaft beschäftigte) Praktikanten oder Öffentlichkeitsreferenten als Nebennebennebenaufgabe („Wir brauchen heute noch was für Facebook“).

Im Idealfall steht am Ende ein spontanerer, intensiverer und überzeugenderer Austausch mit Unterstützern und – durch die Beteiligung an online geführten Diskussionen – auch Gegnern außerhalb der eigenen Filterblase. Die Etablierung der eigenen Organisation als immer ansprechbarer und etablierter Akteur in der Social Media-Welt bringt so dauerhaft mehr als kurzfristige Peaks in der Klickrate.

2. Was macht uns aus?

Im Gegensatz zum Hersteller klebriger Softdrinks hat eine Menschenrechtsorganisation Themen, über die es sich zu reden lohnt. Und zu denen sie auch etwas zu sagen hat. Wir haben immer wieder erlebt, wie viele spannende Geschichten hinter der Arbeit der Organisationen stecken. Welche Erfolge erzielt werden. Wie viele Menschen von der Arbeit profitieren. Diese gilt es zu erzählen!

Als Non Profit-Organisation tut man gut daran, die eigene Glaubwürdigkeit nach außen zu tragen. Passen vor diesem Hintergrund die eigenen Geschichten überhaupt zu den kommerziellen Marketing-Mechanismen großer Unternehmen? Wollen wir überhaupt so sein wie die? Ein mangelndes Budget für Facebook-Werbung muss gar nicht unbedingt ein Nachteil sein, sondern kann als Ausdruck der eigenen Identität verstanden werden. So gesehen konkurrieren hier also gar nicht Caritas mit Coca-Cola oder Red Cross mit Red Bull – es ist genau andersherum. Glaubwürdigkeit ist etwas, was kommerzielle Marken gerne vermitteln wollen, aber dabei oft auf die Fresse fallen. Die desaströse Pepsi-Kampagne vor kurzem hat das wieder eindrücklich gezeigt.

Praktisch hängt also viel von einem guten Storytelling und entsprechenden Inhalten ab. Eine überzeugende Vermittlung der Geschichten und Themen erhöht am Ende auch die Glaubwürdigkeit und damit die Wahrnehmung durch andere Akteure im Netz. Gibt es also ein nur knappes Budget, ist dies unter Umständen in einem Storytelling-Workshop oder für die Aufarbeitung von Inhalten für verschiedene Kanäle besser aufgehoben.

3. Wen interessiert das?

Für die Nutzung von sozialen Medien durch Non Profits gilt die gleiche strategische Grundfrage wie für die Kommunikation außerhalb des Netzes: Mit wem müssen wir eigentlich sprechen, um unsere Ziele zu erreichen? „Die Netzgemeinde“ ist dabei genauso wenig eine adäquate Zielgruppe wie „die breite Öffentlichkeit“. 10.000 Facebook-Freunde mögen beeindruckend aussehen, nützen aber nichts, wenn sie sich nicht aktivieren lassen, wenn es darauf ankommt. Social Media ist kein Selbstzweck.

Während Unternehmen eine große Anzahl von Menschen durch teure Werbung erreichen, sind Non Profits noch stärker gefragt, ihre Zielgruppen so spezifisch wie möglich zu fassen. Gleichzeitig brauchen sie attraktive Angebote, die sie potenziellen Unterstützern machen können. Bloßes Awareness Raising bringt dabei wenig. Die direkte Interaktion in sozialen Netzwerken bietet die Möglichkeit, die Beziehungen zu Unterstützern zu stärken, zum Beispiel durch Facebook-Gruppen oder Twitter-Listen für besonders Engagierte. So lässt sich die Qualität der digitalen Gefolgschaft stärken – und das ohne große Marketing-Budgets.

Pflegt eine Organisation dies nachhaltig, geduldig und kontinuierlich, können diese „engen Freunde“ zu Multiplikatoren werden, die am Ende die Botschaft überzeugender und glaubwürdiger als jede Facebook-Anzeige weitertragen. Dabei lohnt es sich unter Umständen, auch Offline-Strukturen zurückzugreifen. Die umstrittene Kony2012-Kampagne nutzte damals beispielsweise bestehende Freiwilligen-Netzwerke, um den zentralen Kampagnen-Clip zu verbreiten (der wiederum zugegebenermaßen einiges an Geld gekostet haben dürfte). Die Einbindung von überzeugten Unterstützern ermöglicht so auch die Überwindung der Abhängigkeit von technischen Algorithmen.

Fazit: Hin zu einer „digitalen Street Credibility“!

Das Umfeld in sozialen Medien mag hochkommerzialisiert sein. Sich den üblichen Mechanismen des Online-Marketings gänzlich hinzugeben ist für Non Profits aber der falsche Weg. Sicherlich können Tools wie sinnvoll eingesetzte Facebook-Anzeigen helfen, den eigenen Botschaften online zu einem größeren Publikum zu verhelfen. Vor allem aber sollten sich die Organisationen der eigenen Stärken bewusst werden und diese gezielt einsetzen: Starke Themen, hohe Glaubwürdigkeit und überzeugte Unterstützer. Im Zusammenspiel mit einer strategischen Nutzung, kreativem Storytelling und der Einbindung von Unterstützer-Netzwerken kann sich so eine starke Non Profit-Marke abseits der Marketing-Schlachtfelder entwickeln.

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