Stakeholder verstehen: Die Organisation als Sensor, Mentor, Moderator
Diese Zeiten sind vorbei: Unterstützerinnen, die NGOs blind vertrauten visit the site. Spender, die den Überweisungsträger noch von Hand ausfüllten. Mittlerweile hat sich das Verhältnis zwischen der Organisation und ihren vielfältigen Stakeholdern grundlegend verändert.
(Crossposting: Dieser Artikel von Daniel erschien im Leitfaden Internet für NGOs)
Beispiel Kampagnenführung: Wer sich schon mal mit gut geschulten CSR-Menschen oder professionellen Greenwashern auseinandersetzen musste, weiß, dass die Gegner nicht mehr so leicht einzukreisen sind. Die Unterstützer brauchen zwar noch immer klare Botschaften und Aktionsvorschläge. Viel mehr aber fördert die Struktur des Netzes die Individualität der User, die Kreativität der Aktivisten – sie sind keine Mobilisierungs-Lemminge, sondern eher Wikipedianer. In einer Welt mit diffusen Meinungen und Akteuren verpufft ein lautes „Da geht’s lang!“ immer schneller. Wäre es da nicht gut, wenn alle mitdenken dürften und – noch immer begleitet und unter der Flagge einer NGO – sich kreativ für die gemeinsame Sache einsetzten?
Die Klima-Initiative 350.org veranstaltet weltweite Aktionstage und macht auf ihrer Webseite deutlich, was zu tun ist: „So gestaltet ihr ein tolles Foto. So ladet ihr die Presse ein. Das könnt ihr online tun.“ Klare Ansagen, aber der Aktivist kann in diesem Rahmen trotzdem alles tun, von dem er meint, dass es der Sache hilft. Oder nehmen wir als Beispiel die umstrittene Kampagne von „Invisible Children“: Ein gut gemachter Film über den Verbrecher Joseph Kony lässt die Emotionen kochen und mobilisiert Millionen. Was dann kommt, bleibt den Mobilisierten überlassen: „Hol dir dein Activist-Kit. Twitter die Promis an. Zum Aktionstag pflastern wir die Straßen mit unserer Botschaft.“ So wird Gemeinsamkeit erzeugt, aber Freiheit zum eigenen Handeln gelassen.
Der Held, das sind die anderen
In seinem Buch „Story Wars“ fordert der Autor Jonah Sachs, dass wir unsere Adressaten nicht länger unterfordern dürfen. „Kauf dieses Auto, dann bist du glücklicher. Nimm das Deo, dann findest du den Traumpartner“ – eigentlich Blödsinn. Klar, NGOs verkaufen Themen, nicht Produkte. Aber Hand aufs Herz: Wir leben in einer vom Konsum geprägten Kultur – waren wir da als NGO nicht auch schon mal auf der Jagd nach dem simplen Claim, dem schnellen Klick? Dabei sollte es anders gehen: Im Kampf um neue Mythen müssen Geschichten her, in denen sich Aktivistinnen wieder als Helden fühlen können. Diese Geschichten können NGOs erzählen, wenn sie ihre Unterstützer eher wie ein Mentor begleiten und Selbstwirksamkeit und Eigeninitiative zulassen. Denn nichts ist süßer als ein selbst fabrizierter Erfolg. Noch besser, wenn man ihn mit anderen Aktiven gemeinsam feiern kann.
Zeichensprache für die aktivistische Großgruppe (Foto: Adam Koford)
Wer nochmal hat die Occupy-Bewegung angestoßen? Wer steckte hinter den Protesten auf dem Tahrirplatz? Eine NGO war’s nicht – es war der Schwarm. Soziale Medien, nahezu kostenlose Kommunikation und mobile Technologien können die starke Meinung von wenigen – zur rechten Zeit, an einem politisch-gesellschaftlichen Kipppunkt – in einen Meinungssturm oder gleich eine ganze Bewegung verwandeln. Themen erhitzen sich heute schneller, brauchen aber auch dauerhaft Feuer, um am Leben zu bleiben. Passt das noch zum sorgsamen Kampagnenplan, der brav in Quartale aufgeteilt ist? Können NGOs noch stur ihr Thema immer und immer wieder durchspielen und auf die Agenda setzen, wenn der Zeitgeist schon längst weiterzieht? Es geht also ums Thema „Zuhören“. Klar, in jedem Social-Media-Buch lässt sich nachlesen: Die da draußen reden jetzt mit! Aber haben NGOs wirklich ihre Sensoren aufgestellt und ändern ihre Strategie, wenn die Debatte eine andere Richtung einschlägt? Folgt und unterstützt man den Schwarm – oder versucht man doch nur weiter, die eigene Message ins Gespräch zu mogeln?
Alles offen. Alles besser?
Weiterlesen im Originalartikel über Liquid Feedback, Transparenz und Maptivism.