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Coworking – vom Wunsch zur Realität

vonAnuschka Haakam27.02.2019
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Remote zu arbeiten ist eine wunderbare Möglichkeit für mich, schwierige Wintermonate besser zu überstehen. Es ist trotz allem mit Planung und viel Aufwand verbunden. Ein Bericht über meine Arbeit im Wigwam in Indien.


Es braucht einen Tisch und einen Stuhl.

Heute braucht es ausserdem eine nicht nur stabile sondern auch schnelle WLAN Verbindung, um den Traum vom digitalen Reisenden zu leben.

Vieles hat sich geändert, Lernen und Arbeiten müssen nicht zwangsläufig in den herkömmlichen Strukturen stattfinden. Gemeinschaften mit ähnlichen Interessen bilden sich und tun sich zusammen. Oft gründen sich diese aus Start-up Szenen heraus, oder auch mit dem Wunsch, aus der bisherigen Trägheit, Sicherheit oder Konformität heraus zu treten. Das Großraumbüro wird mit den schönsten Stränden und dem besten Zuckerrohrsaft getauscht.

Blick in lichtdurchflutetes, modernes Büro für Co-Working

Ministry of the New, Mumbai, die Crème de la Crème in Mumbai
Tagesmiete liegt bei 18,20€ und die Monatsmiete bei 242,-€ pro Tisch

Aber mit einem spacigen Arbeitsbereich und dem super-fast wifi allein ist es nicht getan. Es braucht eine gehörige Portion an Organisation, um diese Plätze zu finden. In den Großstädten mag dies noch angehen, aber in entlegenen ländlichen Bereichen ist frau gleich abgeschnitten.

Obwohl es viele Plattformen für coworking und coliving gibt, gebloggt, getwitter und instagramt wird, verstecken sich dahinter nicht immer Büros mit Schreibtischen und Stühlen, sondern oft kleine Start-ups in der zweiten Reihe von Straßengeschäften mit einem Metalltisch und einem bei der Oma ausgeliehenem Korbstuhl. Es wird improvisiert und auf den Knien gearbeitet. Es wird gemeinsam chai gekocht und abends ausgegangen.

 

Community

… ist das Zauberwort, das aus einem Büroplatz eine interessante Gemeinschaft zum Arbeiten macht. So eine Art Büro-Hotel, einen Ort den frau sich aussucht, um sich mit Menschen, die vielleicht ähnliche Interessen haben auszutauschen. Zwischen Blogging und Cafétrinken am liebsten.

Die Realität, die ich als Reisende gemacht habe sieht anders aus. Die perfekt organisierten shared offices sind teure Mietbüros eines Partners. Hier teilen wir uns ein Büro und jede arbeitet für sich allein. Ist frau selbst vor Ort und arbeitet regelmäßig in einem shared office oder einem Coworking Platz sieht es ganz anders aus und da beginnt der Reiz des Miteinanders für mich. Hier sind es die Start-ups, die Gemeinschaft leben wollen und auch erleben, dass manche Büros komfortabler sind als ihre eigene Wohnsituation ist. Warum da nicht den ganzen Tag im Büro arbeiten? Es sind IT Services, Menschen die Kosmetik als Selbstständige verkaufen, Support für andere asiatische Firmen machen, programmieren oder ein Logistikcenter betreiben. Designer schließen sich meist zusammen und eröffnen ein eigenes Start-up.

Menschen in einem Coworking Büro

Spaces, Chennai, gehört zur Schweizer Firma Regus, die 30% der Büroflächen in Indien vermietet

 

Was ist dieses Coworking denn wirklich?

Verzweifelt im Paradies? Palmen und Schmetterlinge trügen. Hitze mag der Rechner nicht, die Powercuts belasten nicht nur die Ladegeräte, sondern auch mein konzentriertes Weiterarbeiten. Bei 77 % Luftfeuchtigkeit muss ich zwischendurch die Tastatur abwischen, weil sie zu sehr verklebt. Einen Stromausfall spürt frau am schnellsten, wenn der Ventilator aussetzt. Trügerische Idylle.

Die Geschwindigkeit beim Hochladen von Dateien erinnert mich an Abläufe in der Birthler-Behörde (oder jeder anderen). Ich gehe in den Keller auf der Suche nach Unterlagen. Zwischen den Gängen suchend geht das Licht aus und ich schalte meine Handylampe an. Hab ich die Kiste mit den Unterlagen gefunden, gehe ich wieder zum Ausgang, wo mir der Stapel aber an der Drehtür runterfällt. Ich sortiere neu. Nehme den Packen, um in den vierten Stock zu kommen, zwischendurch rempelt mich jemand an und alle Unterlagen landen wieder auf dem Fußboden, ich packe sie wieder zusammen und knalle alles auf den Tisch, um dann das richtige Papier aus dem Berg zu suchen. So lang dauert es, bis ich eine Datei „hochlade“.

Blick in den Hof vom Hostel

Hostel, Chennai, 4,50 € am Tag inklusive WLAN

In den Megacities Mumbai, Chennai und Bengaluru haben sie eindeutig Interesse an meiner Tätigkeit und ich erzähle von Wigwam, vom Leben in Berlin und wir tauschen uns über ihre Arbeit und ihre Familie aus. Meistens bin ich die einzige Europäerin, die sich einen Tisch gemietet hat, auch wenn ihre Websiten mit Fotos von Ausländern etwas anderes suggerieren. Die Mittagspausen verbringen wir gemeinsam beim Chai-Wallah oder sie teilen ihr mitgebrachtes Essen mit mir. Erst als ich in kleinere Orte und ländliche Gebiete reise, bin ich mir bewusst mit welcher Technik die großen Städte ausgestattet sind. Hier gibt es zwar auch Stromausfälle von Minuten aber in der Kleinstadt kann dieser einen ganzen Vormittag anhalten. Mit Glück finde ich in kleinen Ortschaften ein Café mit WLAN Anschluss und lasse mich an einem Tisch nieder. Umringt von den „männlichen“ Dorfschönheiten logge ich mich in Berlin ein und beginne meine Arbeit. Nach einigen Wochen erweitere ich aber doch meinen Technikfuhrpark um einen LTE Adapter um unabhängiger zu sein.

 

Also warum woanders arbeiten?

Frau möchte die Lebensqualität verbessern, vor allem Selbstständige, oder Menschen, die keine Familie haben, benennen diesen Punkt zuerst. Die Lebenshaltungskosten können geringer sein, das Klima soll die Gesundheit verbessern.

Es sind immer persönliche Gründe, oft steht dahinter der Wunsch aus der räumlichen Veränderung, mit dem Reisen eine Bereicherung, von der wir profitieren können, zu erfahren. Reisen, besonders alleine reisen setzt eine Offenheit, vielleicht auch Naivität und eine Portion Neugier voraus. Wenn ich mich nicht einlassen mag auf andere Menschen, nun dann nehme ich doch wieder nur mich als Person wahr. Will ich etwas Neues aufnehmen, dazulernen, dann heraus aus meiner Komfortzone! Was weiß ein Affe vom Geschmack von Ingwer? (Indisches Sprichwort)

 

Wie ist es gelungen?

Meine Wochen sind fast um und ich bin froh diese Erfahrung gemacht zu haben. Immer wieder bin ich Menschen begegnet, die sich interessiert zeigten, wie ich Arbeit und Urlaub verbinden kann. Dieser Indienaufenthalt hieß für mich in erster Linie körperlich unbeschwerte Tage zu haben. Erst in zweiter Linie eben auch Reisen.

Ich habe remote gearbeitet, in Coworking Plätzen. Aber ich war keine Coworkerin, denn dies bedeutet für mich zuallererst auch Gemeinsamkeit. Sich zu vernetzen und auszutauschen an dem Ort, an dem frau sich befindet. Die Erfahrung des alleine Arbeitens ist der Teil, den ich mir nicht immer aussuchen möchte.

Remote zu arbeiten ist eine wunderbare Möglichkeit für mich, schwierige Wintermonate besser zu überstehen. Es ist trotz allem mit Planung und viel Aufwand verbunden und auch des Getrenntseins von der Familie und den FreundInnen ist nicht leicht.

Und dann, manchmal geht auch eine gute Zeit zu Ende.

Laptop im Garten von Guesthouse, Edava

Guesthouse, Edava, 14,00 € am Tag inklusive Frühstück und WLAN

 

 

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